Das Corona-Hamstern geht weiter |
Wer sind eigentliche die Leute, die das ganze Klopapier gekauft haben? Ich kenne keinen, jedenfalls keinen, der es von sich aus zugibt. Aber ich kann mir die Antwort schon vorstellen, wenn ich einen solchen Menschen nach dem Warum fragen würde: „Wenn es zu einem Engpass kommt, dann habe ich jedenfalls noch welches.“ Oder: „Das geht dich gar nichts an. Ist doch meine Sache, wie viel Klopapier ich kaufe.“ Während die erste Aussage zweifelsohne richtig ist, ist die zweite um so falscher. Ich versuche jetzt seit gut einer Woche, irgendwo Klopapier zu ergattern. Noch habe ich drei Rollen, aber die sind bald Geschichte. Dann habe ich keins mehr, weil es zu einem Engpass gekommen ist – an dem nicht Corona Schuld ist!
Heute habe ich mich bei einer Dame an der Supermarkt-Information informiert (mit 2m Abstand!).
Ich so: „Haben Sie eine Ahnung, wann es mal wieder Klopapier geben wird?“
Sie so: „Die letzten Tage ist jeden Tag welches reingekommen.“
Ich so: „Oh.“
Sie so: „Vorhin sind hier noch welche mit Klopapier rausgegangen.“
Ich so: „Oh. Jetzt ist es leer.“
Sie so: „Oh“, und schaut auf die Uhr. Da war es etwa elf Uhr.
Für mich bedeutet das: Das Hamstern geht weiter ...
Mir geht es hier nicht ums Klopapier. Das ist nur ein Beispiel. Ich werde die kommenden zwei Wochen auch ohne überleben (dann esse ich einfach nichts mehr). Mir geht es hier um Solidarität, dieses böse, etwas aus der Mode gekommende Wort. Meine Einstellung ist die: Wenn ein Engpass droht, dann sollte jeder extra wenig einkaufen, damit jeder wenigestens etwas hat. Wenn ein Engpass droht, dann sollte ich gerade kein Klopapier kaufen, wenn ich noch drei Rollen habe. In guten Zeiten kann ich mir gerne einen Vorrat anlegen. Aber doch nicht, wenn ein Engpass droht. Wir leben in einer Gesellschaft, da gehört Solidarität einfach dazu.
Ich stelle mir vor, ich hätte den Keller jetzt voll mit Klopapier. Oder anders: Ich stelle mir vor, richtig wichtige Lebensmittel sind knapp. Und ich hätte mir noch schnell den Keller damit vollgehamstert. Wie würde es mir gehen, wenn dann die Menschen um mich herum hungern würden? Was würde ich tun? Wenn der Hunger nur groß genug wäre, würde ich vermutlich alles für mich behalten. Katastrophen zeigen einfach das eigentliche Wesen des Menschen. Aber schämen würde ich mich. Satt, aber in Grund und Boden.
Hamstern in Engpass-Situationen ist nicht jedermanns eigene Sache! Das sagt schon das Schweizer Zivilverteidigungsbüchlein aus der Zeit des Kalten Krieges (Ausschnitt s.u.). Hier zwei konkrete Gründe aus der Gegenwart:
Was macht eine Krise mit einer Gesellschaft? Die derzeitige Corona-Krise wird es vielleicht zeigen. Überwiegt die Solidarität oder der Egoismus? Das Soziale oder das Asoziale? Halten wir trotz Kontaktverbot zusammen, oder wollen wir einzig unsere eigene, kleine Familie schützen?
Jetzt, wo sich alle möglichen Staaten wieder sehr separiert haben, werden vielleicht auch Unterschiede deutlich werden. So wie bereits zwischen Deutschland und den USA. Dort drüben nämlich werden offensichtlich signifikant mehr Waffen gehortet, als ohnehin schon. Wie schön, dass es in Deutschland nur das Klopapier ist!
Solidarität beginnt beim Einkauf. Und persönliches Hamstern hat direkte Einflüsse auf viele Dinge, die die gesamte Gemeinschaft angeht. Also, wir haben es in der Hand. Jeden Tag im Supermarkt ...
Bin am selben Tag abends nochmal in den selben Laden gegangen (wg. anderer Sachen, nicht Klopapier). Dort konnte ich ein Gespräch zwischen zwei Kundinnen belauschen:
„Ich bin jetzt schon seit drei Wochen hinter Klopapier her. Nirgends was zu kriegen. Langsam wirds eng bei uns.“
„Ach, also ich habe vorgesorgt und uns einen ordentlichen Vorrat angelegt.“
Aha. Die war es also!
Ich war echt erschrocken über den Stolz in ihrer Stimme, als sie von ihrer erfolgreichen Vorratshaltung erzählte. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie auch nur den Anflug eines schlechten Gewissens hatte.
Warum die Klopapier-Alternativen die Kläranlagen verstopfen am 26.03.2020 in der FAZ | https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/mangel-in-corona-zeiten-klopapier-alternativen-verstopfen-klaeranlagen-16698522.html |
US-Amerikaner hamstern Waffen und Munition statt Klopapier am 23.03.2020 in der BZ | https://www.bz-berlin.de/welt/us-amerikaner-hamstern-wegen-coronavirus-waffen-und-munition-statt-klopapier |
Schweizer Zivilverteidigungsbuch aus den 1960er Jahren | http://www.libenter.ch/index.xhtml Über das Horten im Schweizer Zivilverteidigungsbuch (1960er Jahre) |
am 27.03.2020 um 15:11 Uhr | Oh, ich sehe gerade: es sind noch vier Rollen! Nicht nur drei! Besteht also doch kein Grund zur Panik ;-) |
Michael Teuchert am 27.03.2020 um 16:05 Uhr | Wie immer passend und auf den Punkt! Ein echter COON halt. KANN Jeder verstehen, WIRD aber nicht Jeder. Wir kommen grad aus Lolland in DK, da geht's offenbar rücksichtsvoller zu als HIER, auch mit mehr Ruhe und Abstand. Das mit dem feuchten Toilettenpapier IST eine Sauerei, das Wort: Toilettenpapier...dürfte gar nicht erst drauf stehen! Führt sicher hier und da zu dem Gedanken, dass man's ins Klo entsorgen darf. Steht aber in klein (ob überall, weiß ich nicht) drauf, sollt aber in GROß aufgedruckt sein. Oder die Benutzer denken einfach mal nach!? Könnte helfen. In Spanien oder Griechenland z.B. darf zumindest in ländlichen Gegenden nicht mal normales Klopapier in der Toilette entsorgt werden, sondern über den Hausmüll. Gewöhnungsbedürftig, zugegeben, man hat das aber in 2 Tagen verinnerlicht. Und kucke da: Tut gar nicht weh!!! So, wenn wir Deutschen also sonst keine Probleme im Zusammenhang mit der Pandemie haben, ist ja alles gut! Den Begriff: SOZIAL versteht leider nicht jeder Mitbürger, bis er selbst in WIRKLICHE Not gerät, und man lässt ihn hängen. Dann ist er der lauteste Rufer nach Solidarität. Sorry...wieder zu lang. |
am 27.03.2020 um 20:43 Uhr | Den meisten ist vermutlich gar nicht bewusst, das sie Opfer eines psychologischen Phänomens geworden sind. Viele Menschen sind leider so, dass sie gerade in einer Krise auch noch die Angst entwickeln einen Nachteil zu haben, wenn sie z.B. nicht mehr das haben können, was alle anderen haben. Sie verspüren dann ein Unbehagen und denken sich: „Okay, nehm’ ich lieber mal eine Packung Klopapier mit, obwohl ich noch 7 Rollen zu Hause habe“...das gibt ihnen Sicherheit, verursacht aber den Zustand, vor dem sie sich gefürchtet haben. Weshalb der Kampf ums Klopapier erst richtig losgeht. Und wenn dann ALLE gleichzeitig eine Packung Klopapier kaufen, ist das Regal so leer, als hätten es ein paar wenige leergehamstert. Mittlerweile darf man ja auch nur noch eine Packung kaufen, was auch sinnvoll ist. Ich beobachte auch, dass die Krise in vielen Menschen das Extreme zum Vorschein bringt. Es wird sich zunächst also relativ die Waage halten mit dem Egoismus und der Solidarität wie zuvor auch schon…aber vielleicht hat es ja beim ein oder anderen auch positive Auswirkungen. Ich würde zu gerne denen begegnen, die hamstern wollen und ihnen das alles erklären und mit ihnen darüber sprechen...denn ich glaube daran, dass das besser bei ihnen ankommt, als sie an den Pranger zu stellen. Übrigens habe ich mir zuletzt Klopapier im September gekauft! 20 Rollen…davon hab ich jetzt auch noch 6 und den Luxus noch drei schwarze zu haben…so als |
am 28.03.2020 um 13:08 Uhr | Huch, ich merke gerade, dass da noch der Rest fehlt von meinem Kommentar. : O Hier also der Rest: ...so als Gothicbraut. Das reicht mit vermutlich bis nach der Krise… Ich wäre definitiv auch für eine gerechtere Umverteilung…aber auch allgemein für ein anderes System! Leider deprimiert es mich immer etwas, weil mir auch nichts Besseres einfällt… Und ich hoffe du hörst nicht auf mit essen! Wir brauchen dich noch! : ) |
City Immobilienmakler am 07.04.2020 um 10:44 Uhr | Toller Beitrag, der einfach auf den Punkt gebracht worden ist. Hamstern ist einfach unsolidarisch. Hoffentlich nimmt das alles bald ein Ende. LG Winni |
Grundsätzlich mache ich hier keine Produktwerbung. Und auch jetzt geht es mir nicht um die Marke, sondern um das Prinzip: Der Einhandmischer, bei dem die Mittelstellung kaltes Wasser liefert. Ich selbst habe so einen von der Firma hansgrohe, die den CoolStart auf den Markt gebracht hat. Für mich eine der wichtigsten Erfindungen neuerer Zeit.
Die Kleine Emscher ist ein Altarm der Emscher. Sie fließt von Oberhausen-Buschhausen nach Duisburg-Walsum und mündet dort in den Rhein. Diesen Weg bin ich neulich gegangen, über einen sehr schönen Fuß-/Radweg, vorbei an grünen und sehr naturnahen Kleine-Emscher-Auen. Und was sehe ich da am Wegesrand in Buschhausen? Diesen wundervollen Steinweg. Ich konnte nicht anders und habe einige dieser liebevoll gestalteten Steine fotografiert, um sie hier zu präsentieren. Für mich war dies ein besonderer Gruß meiner Mitmenschen in einer schweren Zeit des Social Distancings. Danke :-) Er hat mir den Tag verschönert.