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Das Pareto-Prinzip

Die Grenze zwischen Gründlichkeit und Schlendrian

Pareto-Prinzip
Vilfredo Frederico Pareto
Quelle: Wikimedia Commons

Vilfredo Frederico Pareto erkannte irgendwann um 1900, dass 80% des italienischen Volksvermögens in den Händen von 20% der Bevölkerung lag. Aus dieser Erkenntnis entwickelte sich das Pareto-Prinzip, das so oder sehr ähnlich in unzähligen Lebensbereichen beobachtbar ist. Beispielsweise wird immer wieder darauf hingewiesen, dass 20% des Arbeitsaufwandes (Zeit, Ressourcen, Energie) ausreichen, um 80% eines Projektes zu erledigen. Die restlichen 80% Aufwand tragen nur zu weiteren 20% des Gesamtergebnisses bei. Welche Schlüsse man daraus zieht, ist jedoch vom eigenen Charakter abhängig.

Ein Pragmatiker wird sagen (und durch einen solchen habe ich vom Pareto-Prinzip erfahren): Prima, dann beschränke ich mich bei meiner Arbeit doch auf die 20% und definiere das zu 80% fertige Projekt damit für erledigt. Die Zeitersparnis ist enorm. So können theoretisch in der selben Zeit fünfmal so viele Projekte erledigt werden.

Ein Perfektionist dagegen schüttelt darüber nur verständnislos den Kopf und verrennt sich lieber in unseligen Details. Beliebtes Beispiel von Zeitmanagement-Gurus ist eine Präsentation. Ihr Inhalt ist vielleicht in 10 Minuten erstellt. Das Entwerfen des Designs, die Formatierung, das Testen und Korrigieren aber dauert noch einmal 40 Minuten.

Sollte man sich die 40 Minuten (80% der Arbeitszeit) nun also sparen? Internetseiten, die von Zeitmanagement handeln, treffen oft die Aussage: Ja. Nur selten lese ich Hinweise darauf, dass dieses "Ja" nicht blind auf alle Projekte angewendet werden sollte. So mag es in Bezug auf die o.g. Präsentation zwar durchaus wahrscheinlich sein, dass nur wenige Menschen die fehlenden 20% überhaupt bemerken würden. Dumm nur, wenn zufällig die Entscheidungsträger zur Perfektionisten-Riege gehören (was allerdings eher unwahrscheinlich ist, da Perfektionisten angeblich seltener befördert werden).

Fertig ist ein Projekt genau dann, wenn es fertig ist. Stimmt das? Genauer betrachtet ist bei jedem Projekt die Grenze fließend zwischen fertig und unfertig, zwischen Gründlichkeit und Schlendrian, zwischen Gewissenhaftigkeit und Fahrlässigkeit. Doch was sind die Kriterien, nach denen diese Grenze festgelegt wird? Sicher gibt es viele Fälle, in denen 80% genug sind, weil das Projekt nicht nach mehr verlangt (z.B. Präsentation vor Nicht-Perfektionisten). Hier ist es gut, wenn Pareto mahnend zur Seite steht und einen bewahrt vor unnötiger Verschwendung von Arbeits- und mitunter Lebenszeit. Ein anderer Aspekt ist konkret die zur Verfügung stehende Zeit. Ressourcen allgemein sind begrenzt und bestimmen mit, wie weit etwas gedeihen kann. Und genau hier wird es schwierig. Was ist, wenn auch Ärzte, Flugzeugbauer oder Bauunternehmer sparen wollen (oder müssen) – ist nicht z.B. Pfusch am Bau eine direkte Folge der Anwendung der 80-20-Regel?

Das Pareto-Prinzip sollte besser kein Prinzip sein, keine Regel. Es kann bestenfalls als Chance verstanden werden, als eine Art Anregung, immer wieder neu den aktuellen Stand und alle Notwendigkeiten eines Projektes zu beurteilen. Dieses Urteilen aber hat nach wie vor in aller Sachlichkeit zu erfolgen und richtet sich sehr nach dem Wesen des jeweiligen Projektes. Daran sollte auch der Drang zum Zeitsparen nichts ändern.

Pareto-Prinzip
Pareto-Prinzip:
links Fassade, rechts Seitenwand
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Ein schönes Beispiel für eine sinnvoll genutzte Pareto-Chance (aufgrund von Ressourcenknappheit?) fand ich an einem Haus in Schwäbisch Gmünd. Es liegt an einer Einkaufsstraße, die zum Flanieren einlädt. Vor den Fenstern im Erdgeschoss sind schwere Eisengitter angebracht. Diejenigen an der Vorder- und damit Schokoladenseite des Hauses unterscheiden sich deutlich von denen an allen anderen Wänden. Zwar kann man leicht die Handschrift desselben Designers erkennen, die Gitter an der Hauptfassade aber sind ungleich aufwendiger gestaltet. Man kann sagen: An 20% der Fenster wurde 80% des Aufwands betrieben.

Ein weiteres Beispiel sind Menschen, die grundsätzlich als Veganer leben, aber in Kauf nehmen, wenn sich in einer Ausnahmesituation einmal Käse in der Soße, ein Ei im Auflauf oder Sahne auf dem Kuchen findet (Fertig-Gericht, Restaurantbesuch, ...). Einen solchen Esser nenne ich Pareto-Veganer, da er mit vergleichbar kleinem Aufwand auf den Löwenanteil aller tierischen Produkte verzichtet, sich aber nicht dazu in der Lage sieht, auch die kleinsten Spuren davon vom Speisezettel zu verbannen (was einen sehr hohen praktischen und emotionalen Aufwand mit sich brächte). Mir scheint es besser, man lebt seine Überzeugungen nur zu einem (erreichbaren) Anteil als gar nicht.

kein Pareto-Prinzip
kein Pareto-Prinzip
(klick = vergrößern)

Ebenfalls in Schwäbisch Gmünd sah ich allerdings ein Beispiel für andere Menschen, die offensichtlich und Pareto zum Trotz nach Perfektion streben. Das Plakat der Chippendales legt nahe, dass die Beschäftigten dieses Entertainment-Unternehmens eher bemüht sind, die 100% zu erreichen – und in ihrem Gewerbezweig mag dies auch eine Voraussetzung für den Erfolg sein.




Pareto-Prinzip bei Wikipedia
mit weiteren Beispielen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Paretoprinzip
weitere Beispiele: http://blog.ins.de/Ecommerce/pareto-prinzip-beispiele-fuer-die-80-20-regel.html
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