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Film

Surrogates - Mein zweites Ich

Bruce Willis im Doppelpack

Analogkäse, Formfleisch, Muckefuck – ein Surrogat ist ein Ersatz für ein höherwertiges Original. Im Jahre 2054 ersetzen sog. Surrogates als lebensechte, ferngesteuerte Roboter ihre Besitzer im täglichen Leben. Während die Originale im heimischen Wohnzimmer fast ihr ganzes, originales Leben verbringen, geistern ihre Ersatz-Körper für sie durch die Weltgeschichte, gehen zur Arbeit oder tanzen in Nachtclubs. Verbunden über neuronale Netzwerke sehen und hören die Besitzer, was ihre Surrogates sehen und hören, fühlen, was sie fühlen, erleben, was sie erleben.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Verunglückt ein Surrogate, bleibt sein Besitzer unbeschadet. Wird er ermordet, handelt es sich nur um einen Blechschaden. Ansteckende Krankheiten sind chancenlos, denn wer geht schon noch unter die Leute? Getrübt wird die Idylle erst, als der erste Surrogate-Besitzer zusammen mit seinem Lebens-Ersatz stirbt. Eine unbekannte Waffe, auf einen Surrogate abgefeuert, tötet auch das Original. Es bleibt nicht bei einem Fall, und so muss Bruce Willis her als grantiger FBI-Agent Tom Greer – natürlich nicht in Fleisch und Blut, sondern zunächst nur als Imitat.

Doch bleiben wir noch bei den Vorteilen dieser Ersatz-Technologie. Einer fällt besonders ins Auge – und spätestens hier endet die Analogie zu Analogkäse und Formfleisch: Die Kopien sind deutlich besser als die Originale, vor allen Dingen aber schöner.

Menschen lieben menschliche Schönheit. Sie streben danach, immer schon. In jeder Epoche gab es andere Methoden, das Schönheitsideal zu erreichen. Angefangen hat es vielleicht mit profanen Dingen wie Waschen und Fingernägel-Saubermachen. Dann konnte man sich die Haare schneiden, später den Bart stutzen oder gar rasieren. Auch die Kleidung war natürlich wichtig. Später erfand man Puder und Salben, dann Make-Up, Haarfärbemittel und Zahn-Bleaching. Und es geht immer weiter.

Die Schönheitsideale selbst können sich mit der Zeit wandeln. Die rundlichen Formen der Rubens-Zeit sind längst der schlanken Linie gewichen, die blasse Haut des Barrocks dem Solarium-Braun, der Vollbart der 70er der Ganzkörper-Rasur (Edit 2014: der Vollbart ist inzwischen wieder hip!). Gleich geblieben oder gar gewachsen ist aber der Drang – und damit auch der Zwang –, sich dem jeweiligen Ideal mit mehr oder weniger moderaten Mitteln anzunähern. Schönheits-OPs sind die derzeitige Krönung des Schönheits-Wahns, und so manche (jugendliche) Durchschnitts-Visage wird sich genötigt fühlen, Geld und Schmerzen zu investieren, um aus dem Sumpf der ästhetisch Abgehängten aufzusteigen in angesagtere Gefilde. Surrogates - Mein zweites Ich ist für mich lediglich die (oder eine denkbare) konsequente Weiterführung dieses Prinzips.

Trendsetter sind heutzutage die Massenmedien. Werbebilder und Casting-Shows geben die Richtung vor, die oftmals ziemlich weit von der Realität entfernt ist. Wie sehr die Bilder geschönt sind, so glaube ich, fällt uns Konsumenten heute kaum noch auf. Präsent ist uns die Darstellung ewiger, jugendlicher Schönheit. Dass diese aber sogar für die meisten Jugendlichen nur mit erheblichem Aufwand zu erreichen ist, wird uns nur bewusst, wenn wir konkret darüber nachdenken (oder den Werbefilm Evolution der Dove Campaign for Real Beauty aus dem Jahre 2004 bewundern). Sollte es uns bewusster sein?

Menschen lieben schöne Menschen – darin liegt die Krux. Das wird sich schwerlich ändern lassen, und das will auch niemand ändern. Doch führt dies z.B. dazu, dass schöne Säuglinge mehr Zuwendung erhalten, schöne Kinder schneller Spielgefährten finden und schöne Angestellte besser bezahlte Jobs. Eine wissenschaftliche Abhandlung, die solche Mechanismen darlegt, ist z.B. die Studie "Beauty Is the Promise of Happiness" des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Und hierin liegt der Grund, warum in Surrogates im Jahre 2054 kaum einer als Original in der Gesellschaft vorkommt. Und wenn doch mal, dann wird er liebevoll als "Fleischsack" angesprochen.

Surrogates - Mein zweites Ich ist ein faszinierender Film, da er das menschliche Streben nach Schönheit (und Sicherheit) auf die Spitze treibt. Eindrücklich vermittelt er die Erkenntnis, dass alles, was möglich ist, auch angewendet wird. In einer Rückblende zu Beginn des Filmes wird einerseits die Entwicklung der Surrogates selbst dargestellt, andererseits aber auch das stetige Wachsen der Bereitschaft, ihnen das eigene Leben auszuliefern. Viele kleine Schritte, jeder für sich genommen nicht bedenklich, doch alle gemeinsam in eine Richtung führend, formen ein völlig neues Selbst-Bewusstsein. Das kann einen – wenn man will – bedenklich stimmen.

Faszinierend finde ich noch, dass ausgerechnet der Held der Geschichte als alternder, unrasierter und glatzköpfiger Original-Bruce-Willis auf so Manchen attraktiver wirkt als sein gepflegter, steriler, blondgeschopfter Surrogate.


Originaltitel: Surrogates
Regie: Jonathan Mostow
Drehbuch: Michael Ferris
John D. Brancato
Erscheinungsjahr: 2009
Länge: 88 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12

Dove "Evolution": http://www.youtube.com/watch?v=iYhCn0jf46U
"Beauty Is the Promise of Happiness" vom IZA, Bonn: http://ftp.iza.org/dp5600.pdf
"Schöne Menschen sind klar im Vorteil" auf Welt Online: http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article13418959/Schoene-Menschen-sind-klar-im-Vorteil.html
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