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Kurzgeschichte

Eigentlich mag ich keine Kinder

süße Kinderchen

Eigentlich mag ich keine Kinder. Ich mochte noch nie Kinder! Sie sind laut und frech und zappelig – immer in Bewegung.
Meine Mutter hat schon immer gesagt: „Schaff dir nach Möglichkeit keine Kinder an! Die haben nichts auf den Rippen und da kriegst du auch nichts dran. Halte dich an Erwachsene. Die sind oft schon von Natur aus fett. Außerdem ergeben die sich schneller in ihr Schicksal.“

Lange Zeit habe ich mich an die Ratschläge meiner Mutter gehalten. Bis vor vier Wochen. Da kamen diese beiden Gören vorbei und brachen Teile von meinem Haus ab. Der kleine Junge war vorlaut, ungezogen und ein Strich in der Landschaft. An dem Mädchen war schon etwas mehr dran, aber Mädchen sind nun mal nicht so faul wie Jungs. Deshalb habe ich sie arbeiten lassen und mir ihren Bruder zuerst vorgenommen.

Was soll ich sagen, meine Mutter hatte Recht. Wochenlang habe ich den Bengel gemästet. Es war nicht gerade billig, ihn aufzupäppeln und vollzustopfen mit all dem fetten und süßen Zeug. Das Ergebnis aber war mager. Genau, wie meine Mutter immer gesagt hatte: er wurde nicht dicker.

süße Kinderchen Jeden Morgen ging ich zu seinem Käfig und fragte: „Hast du endlich zugenommen?“
Und immer gab er mir freche Antworten wie: „Mach dir keine Hoffnung, du alte Hexe. Hier, kannst meinen Finger fühlen, blinde Nuss.“
Ich habe ja nun inzwischen wirklich schlechte Augen, aber mir einen Hühnerknochen statt eines Fingers herauszustrecken, ist eine Frechheit.

Seine Schwester war auch eine herbe Enttäuschung. Sie wollte nicht recht arbeiten und alles musste ich ihr zweimal sagen. In der Küche hatte sie rein gar nichts auf der Pfanne. Die einfachsten Dinge musste ich ihr zeigen, aber auch das ging nie ohne Ärger und Drohen. Dann hat das Balg immer angefangen zu flennen, ich solle sie doch beide verschonen und ihr geliebtes Brüderchen frei lassen, bla bla bla. Das hat dermaßen genervt! Ich habe es echt bereut, nicht sie zuerst in den Käfig gesteckt zu haben.

Heute morgen hat es mir dann endgültig gereicht. Zum x-ten Mal bekam ich nur einen Hühnerknochen zu fassen, und der Frechdachs hat sich wieder lustig gemacht über mich. Und dann warf er mir den Hühnerknochen sogar ins Gesicht.
„Ok, das war’s“, entschied ich. “Schluss jetzt mit dem Theater. Fett oder mager, ist mir jetzt egal! Heute Mittag bist du dran.“

süße Kinderchen

Ja da war was los! Der Junge schimpfte und das Weibsbild fing wieder an zu heulen! Aber ich blieb hart.
„Los!“, befahl ich ihr. „Bereite in der Küche alles vor, ich hole die nötigen Zutaten aus dem Keller. Wenn ich wiederkomme, will ich, dass der Ofen glüht!“
Ja, Pustekuchen! Nichts hatte sie erledigt, als ich wieder nach oben kam. Stattdessen hockte sie bei ihrem Bruder und die beiden tuschelten miteinander.

„Ich wusste nicht, wie man den Ofen anmacht“, jammerte sie. Zugegeben, das hatte ich ihr noch nicht gezeigt. Aber ist das denn so schwer? Was bringt man den Kindern eigentlich bei heutzutage?
„Komm mit, dann lernst du’s eben“, fuhr ich sie an und zog sie an einem Ohr in die Küche. Sie zeterte und heulte und nervte mit ihrem Gebettel, aber ich zerrte sie direkt vor den Ofen. Am liebsten hätte ich sie gleich hinein geworfen, aber ich brauchte sie ja noch für den Abwasch nachher.
„Jetzt schau her“, verlangte ich. „Erst den Gashahn auf, dann den Schalter hier voll aufdrehen!“
süße Kinderchen Sie stand nur da, verheult, mit hängenden Schultern und laufender Nase, und dann nickte sie erschöpft. Fast hätte sie einem leid tun können.
Oho, dachte ich, ist ihr Wille doch endlich gebrochen und sie fügt sich in ihr Schicksal.

Jetzt ist es ja so, dass mein Ofen nicht mehr der neueste ist. Seit einiger Zeit hat er die Macke, dass er nicht immer beim ersten Versuch angeht. Meist funktioniert es ja, aber manchmal eben nicht. Deshalb öffnete ich die Klappe, schaute kurz hinein und fühlte, ob es warm wurde. Es wurde warm, aber der Test war ein Fehler! Kaum hielt ich einen Arm hinein, brüllte das Rotzblag hinter mir: „Das war’s mit dir, du blöde Kack-Hexe!“ Dabei trat sie mir in den Hintern. Ich wollte mich umdrehen und ihr eine schallern, aber da stemmte sie sich schon mit ihrer ganzen Kraft gegen meinen Rücken. Ich hatte schlechte Karten, wie ich so gebückt vor dem offenen Ofen hockte, während sie von hinten drückte, zerrte und schob. Ich schrie, schlug um mich und traf sie sogar am Schienbein. Aber das machte sie nur noch wilder, so dass sie auch noch kratzte, spuckte und biss. Nach kurzem Gerangel landete ich schließlich genau auf dem heißen Rost im Ofen. Als ich mich umdrehte, schlug sie die Tür vor meiner Nase zu. Beinahe hätte ich sogar noch meine Finger dazwischen gehabt!

So, nun sitze ich hier in der glühenden Hitze und kann froh sein, dass ich eine Hexe bin und das ab kann. Gerade habe ich mir überlegt, einfach hier abzuwarten, bis die liebe Kleine ihr armes Brüderchen befreit hat. Wenn die beiden dann einfach abhauen, bin ich sie los. Endlich! Ich hoffe nur, dass sie nicht noch meine Wohnung durchstöbern und die Klunker finden.

Und morgen lasse ich erst mal den Ofen reparieren …


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Bilder mit feundlicher Genehmigung von Goethezeitportal
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„Patsch!“, rief Edmund, als wieder ein fettes Insekt auf der Windschutzscheibe zerplatzte. Der Scheibenwischer schmierte einen besonders unschönen Streifen über das Glas, und aus den Wischwasserdüsen sprudelten nur noch kleine Bläschen. Edmund fluchte. Nach nunmehr dreihundertfünfzig Autobahnkilometern wurde ihm die ganze Sache jetzt eigentlich zu undurchsichtig, doch er war spät dran. Die vom Navi prophezeite Ankunftszeit ließ keinen großen Spielraum mehr. Dieser Druck saß ihm im Nacken und pflanzte sich fort bis zum Gaspedal. „Fahr lieber etwas langsamer, dann kommst du schneller an“, war eigentlich sein Wahlspruch, doch heute musste er ihn verdrängen so gut er konnte.

Die Erinnerung ist schon sehr verblasst. Die Bilder aber stehen deutlich vor meinem inneren Auge, als hätte ich das alles gestern erst erlebt – wie vergilbte Fotos aus der Zeit, schwarz-weiß, oder besser grau in grau. Grau wie der Asphalt der breiten Straße, in der wir kämpften, grau, wie unsere Mäntel, wie die Fassaden der zerschossenen Häuser, wie die Sandsäcke, hinter denen sich die Franzosen verschanzt hatten.

 
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