Gandalfs weise Worte |
Über Hoffnung in turbulenten Zeiten |
Wir leben in turbulenten Zeiten. Wer will das bestreiten? Klimawandel, Krieg in Europa, wachsender Populismus in Politik und Gesellschaft, Inflation, Spaltung, Extremismus – vieles davon ist beängstigend für die meisten Menschen meines Umfelds. Ich selbst habe nie einen Krieg erleben müssen, doch jetzt steht er – gefühlt – vor der Tür. „Die Aussicht auf ein gutes Leben schwindet“, sagt der Studienleiter der aktuellen Studie „Jugend in Deutschland 2024“, wenn er über die Sorgen junger Menschen der Generation Z spricht (14 bis 29 Jahre). Und tatsächlich hat man oft den Eindruck, als ereile uns zur Zeit eine Katastrophe nach der anderen. Wie soll man in diesen Zeiten die Hoffnung bewahren?
Weit verbreitet ist das Gefühl der Ohnmacht. Was sollen wir kleine Bügerinnen und Bürger tun gegen den Krieg, die Inflation oder die Arroganz derer „dort oben“? Es scheint nicht viel zu geben, das das gemeine Volk tun kann, um die Weltgeschicke zu beeinflussen. Das Gefühl, von den Mächtigen nicht gehört zu werden, ist ein weit verbreitetes Gefühl. Alle paar Jahre zur Wahl gehen, das ist der Kern all unserer Macht. Ein schwacher Kern, scheint es oft, während wir gleichzeitig beobachten, wie gerade junge Leute vermehrt rechts wählen und populistische Wahrheitsignoranten US-Wahlen gewinnen. Noch einmal: Wie soll man in diesen Zeiten die Hoffnung bewahren?
Es ist Gandalf der Graue, der mir eine Antwort darauf gibt. Eigentlich gibt er nicht mir diese Antwort, sondern Frodo, dem er gerade eben verklickert hat, dass der Ring, den Frodo besitzt, der Eine Ring der Macht ist.
„Gestern Abend“, sagt Gandalf zu Frodo, „habe ich dir von Sauron dem Großen erzählt, dem Dunklen Herrscher. Die Gerüchte, die du gehört hast, sind wahr: Er hat sich wirklich erhoben und sein Versteck im Düsterwald verlassen und ist zurückgekehrt zu seiner alten Festung im Dunklen Turm von Mordor. Von diesem Namen habt selbst ihr Hobbits gehört, wie von einem Schatten am Rande alter Berichte. Immer nach einer Niederlage und einer Atempause nimmt der Schatten eine andere Gestalt an und wächst wieder.“
Frodo ist ein Hobbit. Hobbits gehören in J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ von 1954 zu den schwächsten Wesen in Mittelerde. Hobbits bevölkern das Auenland, wo das Leben in geordneten Bahnen verläuft und niemand das Bedürfnis hat, ein Held zu werden. Kämpfen, Macht, die große Politik – all das ist nichts für Hobbits. Feiern, tanzen und Bier dagegen umso mehr. Dementsprechend geringschätzig denken die „großen Leute“ über Hobbits, also die stolzen Menschen, die erhabenen Elben und natürlich Sauron, deren Widersacher in Mordor. Doch jetzt hält der junge Frodo diesen Ring in der Hand, der über verschiedene Wirrungen und nicht ohne Gandalfs Zutun in seinen Besitz gelangt ist. Und plötzlich ist er mittendrin im beginnenden Großen Ringkrieg am Ende des Dritten Zeitalters und muss Gandalfs schwere Worte anhören: „Und schon, Frodo, beginnt unsere Zeit düster auszusehen. Der Feind wird rasch sehr stark. Seine Pläne sind noch keineswegs reif, glaube ich, aber sie reifen. Wir werden es schwer haben.“
Frodo ist sofort entmutigt. „Ich wollte, es hätte nicht zu meiner Zeit sein müssen“, sagt er, weil er ahnt, welches Leid und welche Entbehrungen ihn erwarten. Und wenn ich in unserer realen Welt zurückblicke auf die vielen Jahrzehnte eines relativ geordneten und behüteten Lebens in Europa und anschließend auf die aktuellen Herausforderungen unserer Zukunft, dann möchte auch ich sagen: „Ich wollte, es müsste nicht zu meiner Zeit sein.“ Und ich bin nicht einmal mehr jung. Wieviel mehr Anlass hätte ich als junger Mensch, der sich eine große Zukunft erhofft, sagen wir als Angehöriger der Gen Z, diesen Satz zu sagen – und daran zu verzweifeln?
Gandalf ist kein Hobbit. Gandalf ist ein Zauberer und gehört zu den „großen Leuten“, die schon viele große Taten gesehen haben und sich um die großen Geschicke der Welt kümmern. Und Gandalf ist ein weiser Mann. Er findet eine beeindruckende Antwort auf Frodos Selbstmitleid und seine Hoffnungslosigkeit.
„Das wünschte ich auch“, sagt er, „und das wünschen alle, die in solchen Zeiten leben. Aber nicht sie haben zu bestimmen. Wir können nur bestimmen, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist.“
Aha. Das ist also beeindruckend? Und eine Antwort auf die Frage nach Hoffnung in turbulenten Zeiten? Ja, ich finde schon. Denn dieser Satz befreit mich aus meiner Ohnmacht. Mir ist Zeit gegeben! Ich bin nicht zur Untätigkeit verdammt, nur weil ich kein besonders mächtiger Mensch bin! Ich habe Macht, im Kleinen! Und wenn ich sie nutze, meine Zeit nicht verschwende, dann kann ich auch etwas bewegen in der Welt – in meinem Umfeld und im Rahmen meiner Möglichkeiten und sogar darüber hinaus, wenn ich über mich hinauswachse wie die Hobbits, die „kleinen Leute“, die Geringgeschätzten, die schließlich den Ring der Macht zerstören und vor den Augen der Mächtigsten ganz Mittelerde retten.
Ja, wir leben in turbulenten Zeiten. Was gibt mir Mut? Dass ich nicht ohnmächtig bin, dass ich die Welt zum Guten verändern kann. Besser als Gandalf im Kinofilm „Der Hobbit“ kann ich es nicht ausdrücken. Der Zauberer wird von der Elbenfürstin Galadriel gefragt, warum er so viel Hoffnung auf den Halbling Bilbo Beutlin setzt. Seine Antwort lautet: „Saruman ist der Meinung, dass nur große Macht das Böse fernhalten kann, aber ich habe anderes erfahren. Ich finde, es sind die kleinen Dinge, alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten. Einfache Taten aus Güte und Liebe. Warum Bilbo Beutlin? Vielleicht, weil ich mich fürchte und er mir Mut verleiht.“
Über die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“ | simon-schnetzer.com/blog/jugend-in-deutschland-2024-veroeffentlichung-der-trendstudie/ |
Buchzitate aus: | Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien Teil 1: Die Gefährten, Kapitel 2: Der Schatten der Vergangenheit |
Grundsätzlich mache ich hier keine Produktwerbung. Und auch jetzt geht es mir nicht um die Marke, sondern um das Prinzip: Der Einhandmischer, bei dem die Mittelstellung kaltes Wasser liefert. Ich selbst habe so einen von der Firma hansgrohe, die den CoolStart auf den Markt gebracht hat. Für mich eine der wichtigsten Erfindungen neuerer Zeit.