Waterlicht in Oberhausen |
Lichtinstallation mit Tiefgang |
Ich sah die Plakate und wunderte mich über den Titel der Veranstaltung: „Waterlicht“. Nicht deutsch und nicht englisch, dachte ich, und erst, als ich den Namen des urhebenden Künstlers las – Daan Roosegaarde – wurde mir klar, dass dies ein niederländisches Wort sein muss. In jedem Falle aber sah es nach einer wunderschönen Lichtinstallation aus.
Wenige Tage später war ich dann nach Sonnenuntergang beim Peter-Behrens-Bau (LVR-Industriemuseum) in Oberhausen und staunte mehr, als ich erwartet hatte. Sieben Laser-Anlagen tauchten das gesamte Gelände um das große Haus herum in türkises Licht. Diese Methapher „tauchen“ passt an dieser Stelle besonders gut, denn die Laser zauberten alle Besucher unter die Oberfläche eines großen Meeres. Der überall erzeugte Kunstnebel wurde über unseren Köpfen zur Wasseroberfläche, indem er von dem schmalen Lichtband zum leuchten gebracht wurde. Dieses Laser-Lichtband waberte dabei wie der Wellengang, sodass man der Illusion verfiel, einige Meter tief im Wasser über den Meeresboden zu gehen.
Die Illusion gelang. Für mich war es ein bedrückendes, wenngleich faszinierendes Gefühl, im Meer zu wandeln. Faszinierend – klar, durch den außergewöhnilchen optischen Genuss im schönen Türkis. Bedrückend – ich hatte oft das absurde Gefühl, mich ducken zu müssen, weil etwas Gigantisches auf mir lastete. Zumindest überflügelte mich etwas, das mich – ganz intuitiv beurteilt – auch bedrohte. Und wenn man sich anhört, was der Künstler zu seinem Werk zu sagen hat, dann ist dieses Gefühl auch gar nicht weit hergeholt.
Daan Roosegaarde berichtet in einem Interview am Aufbautag in Oberhausen davon, dass das Ruhrgebiet infolge des Ruhrbergbaus um bis zu 25m abgesunken ist. Was kaum jemand weiß: Würde nicht im gesamten Revier permanent das Grundwasser künstlich abgesenkt – durch den dauerhaften Betrieb großer Grubenpumpen in einigen verbliebenen, ausgedienten Schächten – dann lägen heute große Teiles dieses Ballungsgebietes unter Wasser. Da die Pumpen bis in alle Ewigkeit laufen müssen, wenn hier keine Seen entstehen sollen, werden die Kosten für diese Aufgabe Ewigkeitskosten genannt. Als Preis für die Ausbeutung der Kohle, mit all ihren positiven Begleiterscheinungen (Arbeitsplätze, Wirtschaftsmotor Kohle, „dein Grubengold hat uns wieder hochgeholt“, so Gönemeyer), werden nachfolgende Generationen unaufhörlich pumpen müssen. Unaufhörlich. Immer. Man bedenke: Auch die größten Gewinne werden über einen ewigen Zeitraum hinweg irgendwann aufgezehrt sein, und wenn die Pumpkosten auch noch so niedrig sind (ca 220 Millionen Euro pro Jahr).
Übrigens: Die Überschwemmung des Ruhrgebietes ist nicht nur ein theoretisches Szenario. Die Emscher beispielsweise musste bereits zwei Mal umgeleitet werden auf Ihrem langen Weg zum Rhein, da sie sich sonst aufgestaut hätte (1910 nach Duisburg-Walsum und 1949 nach Dinslaken). Und dann gab es tatsächlich schon einen See in Oberhausen: Zwischen 1870 bis 1880 durchkreuzte der 13ha große, aus Grundwasser gespeiste Concordiasee die Planungen für die Oberhausener Innenstadt. Erst nach der Installation großer Pumpen und dem Bau eines Entwässerungskanals bis zur Ruhr verschwand der See wieder.
Die Ewigkeitskosten sind ein menschengemachtes Problem. Ich behaupte auch, dass sie ein wissentlich herbeigeführtes Problem sind, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass den Ingenieuren und Chefs der Bergbaubetriebe dieses Szenaro nicht bewusst war. Genauso verhält es sich mit dem Klimawandel und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels – beides ist der Wissenschaft seit spätestens den 70er Jahren bekannt. Die Menschen sind halt begnadete Ignorierer und Aussitzer.
Ewigkeitskosten und Klimawandel – für beides möchte Daan Roosegaarde mit seiner Lichtinstallation Waterlicht ein neues Bewusstsein vermitteln. Er entführt uns in die Zeit, in der unser Lebensraum im Meer versinkt bzw. in großen Ruhr-Seen. Er erinnert uns daran, dass alles, was wir tun, uns schnell über den Kopf wachsen kann. Gratulation zu diesem gelungenen Kunstwerk mit Tiefgang – im wahrsten Sinne des Wortes :-)
Waterlicht ist Auftakt des Festivals „Futur 21“, das in der Zeit 04.11.2021 - 02.04.2022 an verschiedenen Orten im Ruhrgebiet stattfindet. In den kommenden Wochen und Monaten hält es noch viele sehenswerte Kunstwerke von namhaften Künstlern und Künstlerinnen bereit. Ich glaube, es lohnt sich, sich darüber zu informieren ...
Waterlicht bei Studio Roosegaarde | https://www.studioroosegaarde.net/project/waterlicht |
Interview mit Daan Roosegaarde im WDR (abrufbar bis 05.11.2022) | https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-kultur-am-mittag/audio-weltweit-ausgezeichnete-lichtkunst-waterlicht-100.html |
Futur 21 vom LWL und LVR 04.11.2021 - 02.04.2022 | https://futur21.de/ |
Ewigkeitskosten | https://de.wikipedia.org/wiki/Ewigkeitskosten |
Concordiasee | https://de.wikipedia.org/wiki/Concordiasee_(Oberhausen) |
Es war das sechste Konzert der diesjährigen Deutschland-Tour. Gestern war die Ben Granfelt Band zu Gast in der Earth Music Hall in Wetter. Ben Granfelt? In seiner Heimat Finnland ist Granfelt ein bekannter Musiker und hat sich auch darüber hinaus einen Namen als Ausnahmegitarrist gemacht. In seiner langen Karriere spielte er in einigen weltweit bekannten Bands wie Leningrad Cowboys oder Wishbone Ash (2001-2004). Zusammen mit drei weiteren Finnen begeisterte er nun das gestrige Publikum mit Musikalität auf höchstem Niveau.