Mein schönstes (vegetarisches) Weihnachtserlebnis |
(leider genau so geschehen) |
Die ganze Sippe trifft sich am 2. Weihnachtstag in einem gehobenen Restaurant im Sauerland. Auf dem Tisch präsentieren Tischkarten die angebotenen Speisen. Klar, dass dort an Weihnachten ca sieben Fleisch- und Fischgerichte stehen: Gans, Ente, Steak, … Kein einziges ist für Vegetarier geeignet. Da wir das inzwischen gewohnt sind, fragen wir entspannt nach einer vegetarischen Variante. Die Bedienung erschrickt sichtlich und meint, da würde sie lieber mal die Chefin holen.
Gesagt, getan. Das Gesicht der Chefin, als sie erfährt, dass gleich mehrere Vegetarier anwesend sind, ist unbeschreiblich – es ist eine Mischung aus Entsetzen, Mitleid und Panik. Als sie sich gefangen hat, schlägt sie tapfer Salate vor. Davon würde man ja nicht soo satt, wende ich ein, was den Panik-Anteil noch etwas in den Vordergrund treten lässt.
„Ich frage mal in der Küche nach“, verschafft sie sich die nötige Erleichterung und lässt uns mit dem peinlichen Gefühl zurück, zu viel zu erwarten.
Schließlich erscheint sie wieder und spricht die erlösenden Worte: „Wie wäre es mit Pizza?“
„Gerne“, sage ich begeistert und bestelle eine Pizza Funghi; die nächste Person unserer Gesellschaft wählt eine Spinaci, die übernächste weiß ich nicht mehr, jedenfalls auch eine vegetarische Pizza.
Endlich:
Vegetarier-Ausweis mit Hilfe von www.onlinewahn.de
Himbeere: © virinaflora - Fotolia.com
Vegetarian-Stempel: © alexmillos - Fotolia.com „Okay“, raunt die Chefin verhalten und schreibt diese Wünsche nieder. Dann hebt sie aber doch den Zeigefinger und ermahnt uns eindringlich: „Pizza ist aber nur für die Vegetarier!“
„Okay“, raunen nun wir, etwas verunsichert ob des Frevels, den wir gerade zu begehen scheinen. Ich überlege noch, warum es eigentlich noch keine behördlich beglaubigten Vegetarier-Ausweise gibt, als unser vierter Fleischverweigerer zaghaft auch eine Spinaci bestellt.
Die Unsicherheit in seiner Stimme weckt nun endgültig das Misstrauen der Chefin, die daraufhin ein bisschen die Fassung verliert.
Sie so: „Sind Sie auch Vegetarier?“
Er so: „Ja.“
Sie so: „Gerade eben geworden! Oder?“
–
Jeder, der diese ulkige Szene miterlebt hat, kann bestätigen, dass diese Nachfrage definitiv nicht scherzhaft gemeint war. Die Chefin war wirklich sauer, dass man ihre Fleischgerichte verschmähte, und hat uns das auch deutlich gezeigt.
Dass es auch anders geht, hat dieselbe Weihnachtsgesellschaft ein Jahr zuvor erlebt. Bei einem Feld-Wald-und-Wiesen-Italiener in derselben Stadt waren wir alle – selbst die Vegetarier – sehr gut aufgehoben und sind völlig ohne peinliches Spektakel sehr lecker sehr satt geworden.
Domnul Aprox am 18.02.2014 um 18:40 Uhr | Genau so hat sich die Geschichte abgespielt ! Du altes Coon hast wahrheitsgetreu berichtet. Ich war dabei ! Es ist toll, wie lebendig Du die Dialoge wiedergegeben hast. Gut dargestellt hast Du auch die unterschiedlichen Gefühlsebenen und Raum gelassen zum "Zwischen - den - Zeilen - Lesen". |
am 18.02.2014 um 20:23 Uhr | Danke, Herr Aprox, für die Bestätigung. Nicht, dass jemand denkt, ich sauge mir das alles hier aus den Fingern :-) |
Im Rahmen eines Preisgewinns im Ende 2021 (1. Preis für eine Kurzgeschichte) wurde ich zu einem zweiwöchigen Schreibaufenthalt nach Brüsenhagen/Prignitz/Brandenburg eingeladen. Ich wohnte dort auf Hof Obst in einer geräumigen Ferienwohnung und hatte alle Zeit der Welt, um neue Texte zu schreiben. Neben den äußerst netten Menschen, die ich kennenlernen durfte, hat mich besonders die Landschaft beeindruckt und ihre Auswirkungen auf meine Großstädterseele.
Oberhausen City. Saporoshje-Platz. Januar 2021. Es hat geschneit. Im Rheinland! Es taut auch sofort wieder. Von einem erhöhten Punkt aus schaue ich auf den Platz und staune: Ist der Schnee bereits fast vollständig geschmolzen, so hält er sich doch hartnäckig um die Stämme der unzähligen Platanen herum. Es entstehen wundersame, fast perfekt rechteckige Schneeflächen, die deutlich machen, dass diese Bäume nicht von Natur aus hier stehen :-)