Negatives über Positives Denken |
Ein Artikel über einen Artikel über drei Bücher |
Eine Freundin machte mich neulich auf einen Artikel in der WAZ aufmerksam: Schlechte Laune ist gut! Ein Plädoyer gegen Selbsttäuschungen. Die Autorin stellt u.a. das Buch Miese Stimmung - Streitschrift gegen positives Denken von Arnold Retzer vor. Dieser redet darin gegen gängige Werte wie Erfolg, Spaß, Selbstbewusstsein und Optimismus und verhilft Angst, Trauer, Zweifel, Hoffnungslosigkeit und Pessimismus zu neuem Ruhm.
Die besagte Freundin kennt mich gut. Mir entging auch nicht das Grinsen und Augenzwinkern in den Worten ihrer eMail. Denn sie weiß, dass ich eher ängstlich bin, oft zögere und mich nicht entscheiden kann, mich gern in Perfektionismus verliere und sowieso Berufspessimist bin (während sie selbst von vielen dieser Eigenschaften eher die Gegenteile lebt).
Der Artikel jedenfalls rüttelte etwas wach in mir. Das Gefühl nämlich, dass all die genannten Eigenschaften, die mein Leben oft mehr bestimmen, als es mir lieb ist, völlig zu Unrecht als negativ bezeichnet werden. Aber genau das werden sie gemeinhin. Wer prahlt schon damit, ängstlich zu sein? Wer ist schon stolz auf seinen Wankelmut? Welchen Eindruck macht es im Privaten wie auch im Berufsleben, in einer Kontroverse keinen klaren Standpunkt zu vertreten, rumzudrucksen und ständig die Worte "obwohl", "einerseits...andererseits", "allerdings" oder "naja" zu verwenden. Und wer möchte schon dauernd die Spaßbremse sein?
Dieses wachgerüttelte Gefühl in mir ist nicht neu. Es schlummert meist nur, öffnet nur manchmal schüchtern und verschämt die Augen und beschwert sich leise. Eine depressive Verstimmung beispielsweise mit Finessen des positiven Denkens weg zu tricksen mag zwar funktionieren, doch scheint mir das nicht dem eigentlichen Sinn dieser depressiven Verstimmung gerecht zu werden. Und dass allzu große Selbstsicherheit mir allgemein sehr suspekt ist, schrieb ich bereits in meiner Sozialutopie über die Partei der Stillen.
Doch in aller Regel behalte ich all das für mich, denn erstens passt dieses miesepetrige Gemaule nicht in unsere Spaß- und Erfolgsgesellschaft – und auch ich bin nicht gerne immer der Außenseiter. Andererseits bin ich mir auch nicht immer so sicher, ob die gut gelaunten Vertreter des positiven Denkens nicht doch Recht haben und ich mir mein Leben nur unnötig schwer mache. Schließlich bin ich in Sachen Psychologie nur ein Laie mit gefährlichem Halbwissen.
Jetzt aber kommt Arnold Retzer daher, ein deutscher Mediziner und Psychotherapeut, und veröffentlicht diese Streitschrift gegen positives Denken. Und plötzlich keimt eine Hoffnung in mir, ja, in mir, dem Pessimisten aus Leidenschaft. Eine Hoffnung nämlich, dass dieses Buch meinem latenten Aufbegehren gegen gesellschaftlich verordnete Zuversichtlichkeit einen theoretischen und wissenschaftlichen Unterbau geben könnte.
Vielleicht müsste ich mir dieses Buch einfach kaufen. Und lesen. Allerdings kostet es fast zwanzig Euro. Und zum Lesen braucht man Zeit. Aber wenn es mir hilft, meine Gedanken zu sortieren? Aber was, wenn nicht? Außerdem nennt der WAZ-Artikel noch zwei andere gute Bücher. Ich kann die doch nicht alle kaufen! Andererseits sollte man eine solche Chance besser nutzen und – Zack! – einfach kurz entschlossen zugreifen. Oder?
Es könnte aber auch eine Falle sein.
Schlechte Laune ist gut! Ein Plädoyer gegen Selbsttäuschungen - Artikel in der WAZ (04.09.2012): | http://www.derwesten.de/kultur/schlechte-laune-ist-gut-ein-plaedoyer-gegen-selbsttaeuschungen-id7061089.html |
-Gast- am 03.01.2014 um 18:41 Uhr | Nur Pessimisten können positiv überrascht werden. Wenn dass mal keine Lebensqualität ist. |
am 03.01.2014 um 21:43 Uhr | Mein Reden! :-) |
„Es ist ein sehr poetisches Buch.“ Mit diesen Worten lud mich eine Freundin zu einer Lesung ein. Und mit diesen Worten hatte sie mich gewonnen. Ich folgte der Einladung in eine kleine örtliche Buchhandlung und hörte sie aus Titus Müllers Der Schneekristallforscher lesen. Ich wollte wissen, ob sie mit ihrer Behauptung Recht gehabt hatte. Hatte sie!
Vor einiger Zeit war ich im Internet unterwegs auf der Suche nach Informationen über Altersweitsichtigkeit, die mich als Ü40er langsam zu interessieren hat. Gefunden habe ich unter anderem ein freies eBook, das sich mit optischen Phänomenen in Natur und Alltag beschäftigt und deshalb auch genau so haist, nein heißt. Geschrieben wurde es von Tobias Haist, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität Stuttgart. Durchgelesen habe ich mir damals zunächst nur das Augen-Kapitel (eben wegen der lästigen Weitsichtigkeit) und war sofort begeistert.