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Erfahrungsbericht

Wenn Ingenieure Laminat verlegen

eine wahre Geschichte

Drei Räume, fünf Personen und viele Packungen Kork-Laminat. Das waren die Voraussetzungen an einem schönen Mai-Wochenende, an dem auch ich damit betraut wurde, das vorhandene Rohmaterial möglichst intelligent in einen ansprechenden Bodenbelag zu verwandeln. Eine weitere Randbedingung war die Tatsache, dass drei der Personen Ingenieure waren und somit einer Spezies angehörten, die eigentlich nur aufgrund zivilisatorischer Hilfsgerätschaften wie Formelsammlung, Laptop und Handy einigermaßen lebensfähig ist. Will sagen: Ingenieure sind Theoretiker. Ich muss es wissen, denn ich war einer von den dreien.

Lyoness

Jetzt ist Laminat-Verlegen ja nicht eine so große Herausforderung. Zudem hieß die uns zur Verfügung stehende, moderne Variante dieses Parkett-Ersatzwerkstoffes ‚Klick-Laminat‘, was uns computerisierten Maustasten-Drückern durchaus eine gewisse Vertrautheit vorgaukelte. So rotteten wir drei Seelenverwandte uns zusammen und nahmen uns einen der drei Räume vor, zumal die zwei anderen Personen in ihrem Raum bereits die Wasserstopp-Folie ausgebreitet hatten.

Diese Folie zu verlegen war auch für uns kein unüberwindliches Problem. Die Arbeit ging so schnell von der Hand, dass wir sogar noch die Zeit hatten, alles noch einmal aufzunehmen, um darunter Steinchen und Dreck aufzusaugen, den wir mit unseren Straßenschuhen aus dem neubauüblichen Schlamm-und-Kies-Vorgarten mitgebracht hatten. Dann mussten wir nur noch im Nachbarraum ausspionieren, wie man die Folien am besten gegen ein Verrutschen fixierte, und schon konnte es weitergehen. Mal ehrlich, die Arbeit war doch schon so gut wie erledigt.

Ingenieure sind gemeinhin nicht in der Lage, eine Arbeit einfach so zu beginnen. Diese Behinderung rettete uns an diesem Tag das Leben. Hätten wir – wie zuerst angedacht – die einzelnen Bodenplatten in Längsbahnen im Raum verlegt, so hätten wir am Ende, und zwar ganz am Ende, eine nur wenige Zentimeter breite Endbahn verlegen müssen, wie sie in der Kurz-Verlegeanleitung des Herstellers ausdrücklich nicht empfohlen wurde. Nur gut, dass wir diese Gefahr durch einige Berechnungen und Nachberechnungen auf der Rückseite eines Sandpapier-Bogens bemerkten, noch bevor wir ernsthaft daran dachten, die erste Platte auf dem Boden zu positionieren (womit auch die unqualifizierte Frage beantwortet wäre, wofür man beim Laminat-Verlegen Sandpapier braucht). Die zu verrechnenden Zahlen waren zwar leider sehr praxisnah, also krumm, doch mit Hilfe des Taschenrechners im immer mitgeführten Handy war auch diese Hürde keine wirkliche. Glücklich entschieden wir uns dafür, die Platten quer zum Raum zu verlegen und nahmen den Nachteil in Kauf, dadurch insgesamt mehr Bahnen und somit mehr Zuschnitte am Ende jeder Bahn zu haben.

Die notwendigen Vorplanungen waren somit abgeschlossen, und im wirklichen Leben hätten wir die erarbeiteten Berechnungen und Skizzen mit einigen Erläuterungen und Mahnungen an das zuständige Monteur-Team weitergereicht. Doch in Ermangelung eines solchen – das wurde uns jetzt klar – mussten wir in diesem Falle tatsächlich unser Vorhaben selbst ausführen.

Gleich bei der ersten Bahn begegnete uns dann das erste Hindernis, das uns ein wenig aufhielt: die Rohre, die unter der Heizung im Boden verschwanden, waren eindeutig im Weg. Hierfür musste bereits in der dritten Platte ein Ausschnitt her. Nun war die Frage zu klären, ob dieser zukünftige Ausschnitt eher rechteckig oder trapezförmig gestaltet werden sollte (mit genaueren Details möchte ich das unkundige Publikum hier nicht langweilen). Dezente Nachforschungen im Nachbarraum – auch hier existierte eine Heizung, wie wir herausfanden – brachten diesmal kein befriedigendes Ergebnis. So entschieden wir uns schließlich für die Trapezform, wie sie in der Anleitung vorgeschlagen wurde. Besonderer Augenmerk musste hierbei natürlich auf die korrekte Einhaltung des geplanten Trapezwinkels und einer möglichst symmetrischen, und somit monk-freundlichen Form gelegt werden. Es dauerte zwar eine Weile, aber durch die geballte Kompetenz des gesamten Ingenieur-Teams war das Endergebnis nahezu perfekt. Ich denke, es wird auf lange Zeit der perfekteste Heizungsrohr-Ausschnitt im ganzen Haus bleiben.

Der Rest war ein Kinderspiel. Bahn an Bahn klickten wir zu dritt aneinander. Wir arbeiteten gut zusammen, und jeder konnte jeden Teil der Arbeit einwandfrei durchführen. Die Voraussetzungen waren einfach optimal. Die etwa vier Meter langen Bahnen wurden von uns allen gemeinsam an die jeweilige Vorgängerbahn geklickt, so dass fast jeder einzelne Meter von einer fachkundigen Person betreut werden konnte. Bald fanden wir einen individuellen Arbeitsrhythmus und etwas später sogar einen Weg, dafür zu sorgen, dass das benötigte Werkzeug nach Gebrauch immer genau dort zu liegen kam, wo es bei der nächsten Bahn erwartet werden würde. Es war ein wahrhaft erhebendes Gefühl: wir waren nicht nur richtige Ingenieure, wir waren auch ein echtes Team.

Schließlich, am späten Nachmittag – das andere Team war gerade in der Mitte des dritten Raumes angelangt – war unser Boden fast fertig belegt. Wir waren sehr zufrieden zu sehen, dass unsere Vorberechnungen bis ins Detail stimmten. Die letzte Bahn, die jetzt längs zugesägt werden musste, hatte wie erwartet eine auch für den Hersteller akzeptable Breite. Leider leider war dies auch der Moment, da ich die Baustelle verlassen musste, weil ein anderer, wichtiger Termin drängte. Zuerst bekam ich einen Schrecken, als mir klar wurde, dass ausgerechnet jetzt diese gefürchtete Bahn folgte, die in Längsrichtung gestutzt werden musste. Doch nach einem klärenden Gespräch konnte ich mir sicher sein, dass der Rest meines Teams auch diese Widrigkeiten mit der Überlegenheit seines Intellekts würde lösen können. Der Tag war ja noch lang.


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erlebt und geschrieben im Mai 2008
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